Zur Wikinger-Königsschlacht an Pommerns Küste am 9. September 1000

Um die Jahrtausendwende vollzogen sich in Nord – und Mitteleuropa tiefgreifende Veränderungen, die auch die Gebiete des späteren Mecklenburgs und Pommerns nachhaltig beeinflussten. Das wikingerzeitliche Dänemark konnte unter seinem fähigen und energischen Herrscher Sven Gabelbart (986 – 1014) innerhalb der drei skandinavischen Königreiche die Hegemonie erringen und behaupten, zumal sich das Inselreich anscheinend im Zusammenhang mit dem gegen die deutsche Feudalherrschaft gerichteten großen Slawenaufstand der Obotriten und Lutizen zwischen Elbe und Oder 983 der Lehnsoberhoheit vom römisch-deutschen Kaiserreich zu entziehen vermochte. Norwegen war dänischer Vasallenstaat geworden, wobei der zunächst dänenhörige Regent, Jarl Haakon von Lade (971 – 995), zunehmend eigenmächtige Ziele verfolgte. Schweden unter seinem König Erik Sejrsal, genannt “der Siegreiche”, konnte Dänemark zunächst zügeln, aber sein Sohn und Nachfolger Olaf Skotkonung (Schoßkönig, 995 – 1022) beugte sich Sven Gabelbart. Der Polenherzog Boleslaw I. Chrobry (992 1025) – der „Burisleif“ der nordischen Sagas -, der sowohl vom römischen Kaiserreich als auch von den Herrscherhäusern Schwedens und Dänemarks begünstigt wurde, entwickelte sein Land zum mächtigsten frühfeudalen westslawischen Staat.
In dieses politische und militärische Kräftespiel im südlichen Ostseeraum, das sich vorrangig auf das strategisch wichtige Mündungsgebiet der Oder mit seinen beiden Inseln Usedom und Wollin und der damals bedeutendsten Hafenstadt im Ostseeraum, Wollin (seinerzeit Jumne, Jumneta, und Julin genannt), konzentrierte, versuchte auch der junge norwegische König Olaf I. Tryggvason einzudringen.
König Olaf I., der als “der strahlendste Held der norwegischen Wikingerzeit“ bezeichnet wird, glaubte aufgrund seiner familiären Verbindungen mit der polnischen Dynastie und dem Jomswikingeradel im Gau Jom, seinen Machtanspruch im südlichen Ostseeraum gegenüber Dänemark durchsetzen zu können. Die Basis hierfür sah der Norwegerkönig im Bau und im Aufgebot einer starken Flotte, wobei solche Schiffe, wie der „Kranich“, der „Kurze Wurm“ oder die „Lange Schlange“ (Omrinn Lange), in die Geschichte eingingen.
Aber die von Olaf I. verursachte innenpolitische Krise in Norwegen und sein demonstratives Auftreten nach außen ließen ihn bald als königlichen Außenseiter erscheinen und seine Gegner mobil werden, obwohl seinerzeit Frieden zwischen den nordischen Reichen herrschte.
Wie die deutschen, norwegischen und isländischen Quellen fast übereinstimmend vermelden, bot Olaf 1. Tryggvason anscheinend im Frühjahr des Jahres 1000 einen Heerbann auf und segelte mit einer Flotte von elf Langschiffen und vermutlich 500 Seekriegern im zeitigen Sommer von Norwegens Südküste durch den dänischen Öresund mit Kurs auf die Odermündung, um während der Sommermonate in Wollin oder Kammin, dem „Steinborg“ der Sagas, Verhandlungen mit dem Polenherzog Boleslaw I., seinem Schwager, zu führen. Weitere 60 Schiffe norwegischer Großbauern sollten dem König folgen; sie kamen nie nach!
Über die Ursachen des norwegischen Kriegsaufgebotes, über die Rolle des Norwegerkönigs – Aggressor oder Bündnispartner-, über die Anzahl seiner Schiffe und deren Kurs sowie über den Zweck seines Aufenthaltes im polnisch unterworfenen Pommern: Umstände, die schließlich zur Seeschlacht von Svoldr und zum Tod König Olafs 1. führen sollten, gibt es in den genannten Quellen die widersprüchlichsten Mitteilungen.

 

Neuerscheinung:

Die Jomswikinger – Nur ein Mythos?

Lutz Mohr

Edition Pommern
ISBN 978-3-939680-65-9
204 Seiten mit Abbildungen
€ 19,95 (D)Broschur, Größe 15 cm x 21 cm

zum Buch

 

 

Der anerkannte Greifswalder Nordist Walter Baetke (1884 – 1978) verarbeitete in seiner heute fast kaum noch bekannten quellenkritischen Publikation „Das Svoldr-Problem“ (Berlin 1951) alle verfügbaren Quellen, darunter Sagas und Skaldengedichte, die nach ihm „Quellen ersten Ranges für die frühnordische Geschichte“ sind. Deshalb soll den wesentlichsten geschichtlichen Aussagen an dieser Stelle nachgegangen werden, um den strittigen Problemkreis durch neue Erkenntnisse weiter aufzuhellen.
Nach der um 1180 entstandenen „Historia Norvegiae“ bot Olaf I. einen Heerbann gegen den dänischen König Sven Gabelbart auf, „… weil dieser seine Schwester Thyra, Olafs Gemahlin (nach der Polin Geira und der Waliserin Gyda die dritte Frau des Norwegerkönigs – d. Verf.) die Insel Seeland vorenthält, die er ihr als Heiratsgut versprochen hatte“. Eine entsprechende Abrechnung mit seinem einstigen dänischen Waffengefährten auf Wikingerzügen, insbesondere gegen England, und späteren der auf dem dänischen Königsthron hatte Olaf I. Tryggvason möglicherweise im aber mit einem derart kleinen norwegischen Kriegsaufgebot Dänemark unter seinem fast allmächtigen Ostseeherrscher Sven Gabelbart anzugreifen, war doch schier undurchführbar! Das wusste sicherlich der auf Wikingerzügen kriegserprobte Norwegerkönig.
In der genannten Quelle heißt es:
„Als Olaf jedoch seine Flotte aufbietet, ergeben sich Schwierigkeiten, nur ein Teil des Aufgebotes erscheint zur verabredeten Zeit, und nachdem der König mit wenigen Schiff (11) vorausgefahren war, kehren die verspätet Eintreffenden wieder um. Als sich Olaf von seinen Landsleuten getäuscht sieht, beschließt er, zu den Slawen (Polen) zu gehen und von ihnen ein Hilfsheer zu erbitten; denn sie waren ihm auf seinen Wikingerfahrten treue Verbündete gewesen …“
Auf alle Fälle war der norwegische Herrscher mit seiner kleinen Streitmacht an der polnisch-pommerschen Küste im Bereich der Odermündung eingetroffen, und es hatten Verhandlungen sowohl mit dem Polenherzog als auch mit dem Jarl der Jomswikinger Sigvald, dem anderen Schwager Olafs, stattgefunden; aber die Rückfahrt der Norweger sollte ihnen zum Verhängnis werden!
Die diesbezüglich älteste Nachricht, die „Historia de Antiquitate Regun Norvagiensium“ des norwegischen Geistlichen Theodricus monachus, die um 1178/79 niedergeschrieben wurde, überliefert nämlich:
„…daß der König Sven von Dänemark, der König Olaf von Schweden und Erik, der Sohn Haakons (des ermordeten norwegischen Jarls von Lade – d. Verf.) im fünften Jahre der Regierung Olaf Tryggvasons (also im Jahr 1000 – d. Verf.) gegen diesen den Krieg eröffneten und ihn … unvorbereitet trafen. Die Schlacht habe bei einer Insel stattgefunden, die Svold heißt und bei Pommern liege, das in nordischer Zunge Wendenland heiße.“
Auch die „Fagurskinnasaga“, die wohl um 1225/35 durch den Isländer Oddr Snorrason verfasst wurde, berichtet ähnlich:
„… als er (König Olaf I. Tryggvason – d. Verf.) nach glücklich verlaufender Verhandlung mit Burisleif (nordischer Name für BolesIaw I. Chrobry – d. Verf.) zurückfährt, wird er bei der Insel Svold an der pommerschen Küste, wo die Verbündeten sich in einer Bucht in den Hinterhalt gelegt hatten, überfallen und zum Kampfe gezwungen.“
Des Weiteren überliefert der gleiche Verfasser in seiner „Olafssaga Tryggvasonar“ um 1200:
„Als nämlich Olaf sich zu lange bei Burisleif aufhält, wird der größte Teil des Heeres ungeduldig und fährt vorzeitig nach Hause, so daß dem König nur 11 Schiffe verbleiben.“
Die Darstellungen des Theodricus und Oddrs ergeben die genauesten Aussagen, zumal sie mit denen des isländischen Skalden Skuli Thorsteinsson (um 970 – um 1040) übereinstimmen, der an der Schlacht von Svoldr auf Seiten des Jarls Erik Haakonsson von Norwegen, der seinen durch König Olafs Anhänger getöteten Vater zu rächen versuchte, teilgenommen hatte. Obwohl erst später aufgezeichnet, ist den isländischen Quellen diesbezüglich mehr Glaubwürdigkeit beizumessen als beispielsweise den Aufzeichnungen des bedeutenden deutschen Kirchengelehrten und Historikers Adam von Bremen (1020 – 1081), der sie nur aus zweiter Hand über den dänischen Königshof und dazu tendenziös erhielt.
Denn Isländer waren sowohl als Wikingerkrieger am frühmittelalterlichen Nord- und Ostseegeschehen beteiligt als auch als Skalden an den nordischen Königshöfen anzutreffen, wo ihre Fabulierkunst gerühmt wurde. Die nördlichsten Europäer waren sozusagen vor Ort dabei, so dass ihre Nachfahren nach Baetke (1951) „… neben den erhaltenen schriftlichen Quellen andere, inzwischen verlorengegangene, vor allem aber eine mündliche Tradition von größter Zuverlässigkeit zur Verfügung standen und daß außerdem der besonders entwickelte Sinn der Isländer sie befähigte, das überlieferte Material mit gesunder Kritik zu verwerten“.
So hatte auch König Olaf I. Tryggvason seinen eigenen Hofskalden; den Isländer Hallfred (um 950 – 1001/02), der in die Geschichte als der „schwierige Skalde“ einging, da er dem König bei Entscheidungen zu widersprechen vermochte. Hallfred muss auch die Jomsburg und den Jarl Sigvaldi in Pommern gekannt haben. Denn an anderer Stelle wurde überliefert, dass dieser Königsskalde den Jomswikingerhäuptling aufsuchte und auf ihn ein Preislied dichtete. Während König Olafs Aufenthalt in Pommern, befand sich Hallfred (für die Nachwelt leider) in seiner Heimat Island, so dass er über die Geschehnisse in Pommern und der Schlacht von Svoldr erst später in Norwegen erfuhr.
Wie es auch im Einzelnen gewesen sein mag, es steht folgendes fest:
Nach Abschluss der norwegisch-polnischen Verhandlungen, in denen es anscheinend um ein Waffenbündnis und um Erbschaftsangelegenheiten Olaf Tryggvasons erster Gemahlin Geira ging, und die in Kammin, der zeitweiligen Residenz Boleslaw I. und späteren Bischofssitz, und in Jomsburg, dem möglichen Jarlssitz der Jomswikinger an der Spandowerhagener Wiek, stattfanden, rüsteten sich die Norweger Anfang September des Jahres 1000 zur Heimkehr. Der Liegeplatz der norwegischen Schiffe während des Aufenthalts an Pommerns Küsten kann nur die Hafenstadt Jumne-Wollin gewesen sein.
Zwischenzeitlich waren aber die heimliche und offene Gegner von Olaf I., die Könige Sven Gabelbart und Olaf Skotkonung sowie Jarl Haakons Söhne Erik und Sven in Verbindung mit dem Jomsburger Jarl Sigvald, nicht untätig geblieben. Nach offensichtlichem Auskundschaften der Stärke des norwegischen Flotten- und Heeresaufgebots in Pommern hatten sie indessen Geheimverhandlungen aufgenommen und den Entschluss gefasst, wie und wo man sich am besten des unbequemen Königs, der immer mächtiger wurde, entledigen könnte und wie Norwegen nach Olafs I. Fall aufgeteilt werden sollte. Jarl Sigvald fiel dabei – wohl bestochen – die heikle Aufgabe zu, seinen königlichen Schwager auf dem prächtigen Drachenschiff „Lange Schlange“ in die Falle zu lotsen.
In der „Eyrbyggiasaga“, der Geschichte vom Goden Snorri, die vermutlich der Abt Hall Gissursson um 1221/25 niederschrieb, wird dabei das Motiv der verräterischen Haltung Sigvalds wie folgt kommentiert:
„Um den dänischen König Sven (Gabelbart) zu versöhnen, den er einmal durch Hinterlist gefangen genommen (993), nach Jomsburg geführt und dort gezwungen hatte mit dem Wendenkönig Burisleif (Boleslaw I.) Frieden zu schließen …, unternahm er es, den König OlafTryggvason in die Hände des Sven und seiner Verbündeten zu liefern, und es gelang ihm in der Tat…“
Denn nach dem Auslaufen der norwegischen Schiffe aus dem pommerschen Oderdelta, die von mehreren Schiffen der Jomswikinger – elf werden genannt – begleitet wurden, war Olafs I. Flotte anscheinend nach Passieren der Peenemündung ein Hinterhalt bei der Insel „Svold“ (Svoldroie) in der „Svoldrbucht“ gelegt worden. Merkwürdigerweise werden im „Eiriksflokk“ des Isländers Halldor okristni (nach 1000) 71 Schiffe erwähnt, mit denen König Olaf I. von Süden, von der Odermündung, nach Svoldr kam. Des Weiteren überlieferte der gleiche Skalde, dass Jarl Erik Haakonsson an dem genannten Ort seine Schiffe konzentriert habe.
Daraus wäre zu schlussfolgern, dass neben den eigenen elf norwegischen Schiffen und der gleichen Anzahl Schiffe der Jomswikinger 49 Schiffe des Polenherzogs Boleslaw I. die Rückfahrt Olafs I. nach Norwegen begleiten sollten. Ob es sich hierbei nur um Transportschiffe, die mit Erbschaftsgut für den König beladen waren, oder um Kriegsschiffe handelte, die vom verbündeten Polen zur Verstärkung Olafs I. in der bevorstehenden Schlacht aufgeboten wurden oder gar für einen geplanten Angriff Norwegens gegen Dänemark vorgesehen waren, lässt sich nicht entscheiden.
Die folgende Überlegung Professor Baetkes (1951) scheint am ehesten treffend:
„Die Mitgabe der Schiffe erklärt sich unter der Voraussetzung freundschaftlicher Beziehungen Olafs zu Boleslaw mit der Annahme, daß der König (Olaf I.) vom dem geplanten Kriegszug seiner Feinde bei seinem Aufenthalt in Pommern Kunde erhalten hatte. Dieser Zug ist in den Sagas bewahrt und in der Verratsgeschichte, in deren Mittelpunkt der Jarl Sigvald steht.“ Auf alle Fälle wären dann die angeblichen 49 Schiffe des Polenherrschers und die 11 Schiffe der Jomswikinger als Ersatz für die 60 ausgebliebenen norwegischen Schiffe für diesen Heerbann anzusehen.
Jarl Sigvald, der König Olaf I. das sichere Geleit geben sollte, war jedoch entschlossen, seinen königlichen Verwandten bei der geplanten Insel in den Hinterhalt zu führen. Gedeckt durch die Insel Svold, hatte eine vereinigte dänisch-schwedische Flottenmacht mit dem Aufgebot norwegischer Gegner König Olafs I. von insgesamt 82 Schiffen auf des Königs Geschwader gelauert – so das um 1190 entstandene norwegische Geschichtsbuch ,,Agrip“.
Der bedeutendste isländische Politiker und Historiker des Mittelalters, Snorri Sturluuson (1179 – 1241), dessen Persönlichkeit und Werk anlässlich der 750. Wiederkehr seiner Ermordung im November 1991 in der vorpommerschen Hanse- und Universitätsstadt Greifswald international gewürdigt wurde, überlieferte in seinem „Königssbuch“ (Heimskringla) :

„Der Dänenkönig Sven und der Schwedenkönig Olaf und der Jarl Erik waren nun da mit ihrer ganzen Streitmacht. Es war schönes Wetter und heller Sonnenschein. Es gingen nun die Herrscher alle auf den Holm (= Insel Svold – d. Verf.) mit großem Gefolge, und sie sahen, wie eine Menge Schiffe (der Norweger und der Polen/Pommern – d. Verf.) auf die See hinaussegelte.“
Der größte Teil der Norwegerschiffe konnte unbehelligt diese Insel passieren. Als aber das gewaltige Königsschiff „Langer Wurm“ nahte, das von Olaf I. selbst gesteuert wurde und die auserlesensten norwegischen Wikingerkrieger trug, und durch das Täuschungsmanöver Sigvalds auf diesen Holm zu segelte, ruderten sämtliche feindlichen Schiffsbesatzungen mit ihren Drachenschiffen schnell in den Sund hinaus auf Olafs I. Flaggschiff zu und kreisten es ein. Olaf und seine Krieger mussten sich der Übermacht zum Kampf stellen, und Sigvald zog sich mit den Schiffen der Jomswikinger zurück und schaute zu.
In der Svoldrbucht entspann sich eine äußerst erbitterte Schlacht, die nach den Ermittlungen Hennigs (1935) am 9. September 1000 stattfand, in der viele Krieger Olafs I. binnen kurzem fielen, obwohl sie anfangs den verbündeten Gegnern mächtige Verluste zugefügt hatten.
Als sich aber Jarl Eriks großes Kriegsschiff, „Bardi“ genannt, das am Vorsteven mit einem Eisenbart und dicken Eisenplatten gepanzert war, die bis zur Wasserlinie reichten, mit zahlreicher Mannschaft längsseits des „Langen Wurms“ legte, die das Königsschiff schließlich enterten, war der letzte norwegische Widerstand alsbald gebrochen. Angesichts der ausweglosen Lage sprangen der Bruder des Norwegerkönigs, Thorkel Nefja, des Königs Marschall Björn und zuletzt Olaf Tryggvason selbst in voller Rüstung in die See und gingen unter. Durch den freiwilligen Todessprung Olafs I., den legendären „Königssprung“, war die Schlacht entschieden. Der Norwegerkönig, gerade 31 Jahre alt, hatte den Tod in den Wellen der Gefangennahme durch seine Feinde vorgezogen.
An der Seeschlacht von Svoldr müssen polnisch-pommersche Schiffe beteiligt gewesen sein. Denn der erwähnte Isländer Hallldor teilte in seinem „Eiriksflokk“ weiterhin mit:
„Es zogen von allen Seiten zum Kampfe (zur Bucht) die Schiffe der Wenden, und es gähnten die dünnen Schwerter (Äxte) mit en Eisenmäulern gegen die Mannen; Schwwerterlärm war auf See – der Adler riss die Leichen (den Fraß des Wolfes): der edIe Anführer der Mannen (Olaf I. kämpfte. Eine große Kriegerschar ergriff die Flucht.“
Auch das isländische genealogische Gedicht „Noregs konungatal“ eines unbekannten Verfassers vom Ende des 12. Jahrhunderts überliefert diese Schlacht:
„Es war ein durchaus harter und langer Kampf, als der Wurm (Olafs I. Führungssschiff – d. Verf.) von Mannschaft geleert wurde; die Stelle, wo Olaf fiel, wird seitdem Svoldr vag (Svoldrbucht) genannt.“
Ein Schlachtenteilnehmer selbst, der isländische Skalde Skuli Thorsteinsson, übrigens ein Enkel des wohl bekanntesten isländischen Helden und Skalden Egil Skallagrimsson (um 910 – um 990), überlieferte der Nachwelt in einem flokk: „Ich folgte dem Feind der Friesen (gemeint ist Jarl Erik Haakonsson – d. Verf.) und Sigvaldi, wo die Speere sangen … (und) wir im Kampf gegen den Krieger (Olaf I.) im Süden vor der Svoldr-Mündung das gerötete Schwert trugen.“

Der Verrat des undurchsichtigen Jomswikingerjarls Sigvald, der sich weder bei Sagaverfassern noch bei Skalden eines guten Leumunds erfreute, wurde durch den aus der Kristnisaga bekannten isländischen Skalden Stefnir Thorgilsson bezeugt, der einen treffenden Spottvers über Sigvald dichtete, ohne ihn direkt zu nennen. Der getroffene Jarl ließ deshalb Stefnir erschlagen, wie der bedeutende isländische Geschichtsschreiber Ari Frodi, genannt „der Kundige“ (1067 – 1133), überlieferte.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der norwegische König auf der Rückfahrt von Pommern, wo er aus irgendwelchen Gründen weilte, von den verbündeten skandinavischen Herrschern im Bunde mit landflüchtigen Norwegern mit großer Übermacht bei Svoldr zum Entscheidungskampf gezwungen und geschlagen wurde. Das stimmt mit den meisten isländischen Zeugnissen und den Aufzeichnungen des Norwegers Theodricus monachus überein. Und isländische Krieger-Skalden fungierten auch in dieser frühmittelalterlichen Seeschlacht in einer Art von zuverlässigen „Kriegsberichterstattern“.
Das Königsschiff Olafs I., „Omrinn Lange“, das auch Snorri näher beschrieb, ging während der Schlacht nicht unter oder wurde zerstört, sondern fiel als Kriegsbeute Jarl Erik Haakonsson, dem neuen norwegischen Regenten zu. Das im Jahre 999 in Norwegen erbaute Königsschiff wurde das Vorbild für zwölf „Admiralsschiffe“, die man zwischen 1000 und 1263 in dem langgestreckten Fjordland erbaute – so der Schwede Oxenstierna (1974).
Aber die Lokalitäten der Svoldrbucht und Svoldroie sind bis heute kontrovers. Jedoch kann gegenwärtig aufgrund der überwiegenden Aussagen der in den nordischen Quellen vorkommenden Hinweise auf den Schlachtort mit ziemlicher Sicherheit gesagt werden, dass die Svoldrbucht mit dem Greifswalder Bodden an der südlichen Ostseeküste identisch ist, der sich, geographisch-physiognomisch betrachtet, Unkundigen heute wie damals als maritime Sackgasse oder „Falle“ erweist, wenn sein flacher Ostausgang zwischen der rügischen Halbinsel Mönchgut und der Insel Ruden sowie der schmale Strelasund abgeriegelt würden.
Allerdings begegnet uns der geographische Begriff „Svoldr“ nach Baetke (1951) in vierfacher Hinsicht:
-als Insel (Holm)-
Bei Theodricus, in der isländischen Olafssaga, der Fagurskinna und der Heimskringla, bei den Skalden Halldor und Hallfred;
– als Bucht (vag)-
In den Noregs konungatal und den isländischen Analen;
– als Fluss-
Bei Skuli Thorsteinsson und der Knytlingasaga;
– als Hafen (portus Svoldensis)
Bei Saxo Grammaticus (um 1140 – um 1216)
Die geographische Lage von Svoldr mag dadurch heute recht verworren erscheinen, aber in der damaligen Zeit bezeichnete man meines Erachtens damit einheitlich die geographisch markante Stelle dieser bedeutsamen Seeschlacht der Wikingerkönige, auf die alle vier Bezeichnungen zutreffen:
– als Bucht-
der Greifswalder Bodden;
– als Fluss bzw. Meeresarm-
der Strelasund, der Nordwest-Ausgang des Greifswalder Boddens;
– als Hafen –
der Rügische Bodden, der Nordteil des Greifswalder Boddens;
– als „Svoldroie“ (Holm) –
die Insel Vilm an der Südküste Rügens im Sund vor dem heutigen Lauterbach.
Den Auffassungen deutscher und dänischer Forscher, die Insel Svold oder Svoldroie mit den Eilanden Greifswalder Oie, Riems, Koos, Dänholm oder Ummanz an der vorpommerschen Küste zu identifizieren, widerspreche ich, da deren Lage und Beschaffenheit nicht den beschriebenen Bedingungen entsprechen. Nur ein Eiland bietet sich förmlich an, als Svoldroie zu gelten: die von der Forschung bisher nicht berücksichtigte Insel Vilm im Greifswalder Bodden gegenüber dem heutigen rügischen Lauterbach.
Die 2,7 Kilometer lange, stark bewaldete, die sich bis zu 37,5 Meter über Normalnull erhebt, wäre doch für den Hinterhalt bestens geeignet gewesen. Im Sund, also im Gewässer zwischen Lauterbach und Vilm, konnte eine sehr große Anzahl von Wikingerschiffen auf „Warteposition“ liegen, ohne dass man sie mit ihren farbigen Rahsegeln vom Bodden aus hätte entdecken können. Außerdem war genügen Wassertiefe für die gegnerischen Langschiffe vorhanden. Südlich von Vilm, im Zentrum des Greifswalder Boddens, versperrte zudem die Insel Großer Stubber mit den sie umgebenden Untiefen den Fluchtweg der ankommenden Norwegerschiffe. Diese geographischen und morphologischen Merkmale des Boddens, die der Schiffahrt und der Fischerei auch heute nicht unerhebliche Schwierigkeiten bereiten, müssen seinerzeit Sigvaldi und den Jomswikingern bestens bekannt gewesen sein, um die ortsunkundigen norwegischen Wikinger unter Olaf I. in den geplanten Hinterhalt zu lotsen.
Die Norweger, in ihrem Gefolge vereinzelt Isländer, standen damals dem Ostseegebiet räumlich zwar nicht so fern wie in späterer Zeit. Sie griffen aber im Gegensatz zu den Dänen und Schweden hier nur gelegentlich unmittelbar ein und gelangte nie zu dauernder Festsetzung. Den Isländern gebührt jedoch der Ruhm, die frühmittelalterlichen Geschehnisse an unserer heimatlichen Ostseeküste in der Dichtung und Geschichtsschreibung der Nachwelt bewahrt zu haben.

Diplomhistoriker Lutz Mohr